Von Reimar Paul
Tshiana Nguya wurde 34 Jahre alt. Sie starb am 7. Dezember 2004 in einer Poliklinik in Kinshasa bei der Geburt ihres vierten Kindes. Auch das Baby überlebte diesen Tag nicht. Der Tod von Mutter und Kind sei eine Folge von Vergewaltigungen und Misshandlungen gewesen, denen die aus Niedersachsen abgeschobene Kongolesin im Knast in Kinshasa ausgesetzt war, sagt Kai Weber vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat. Durch Kontakte in den Kongo sowie zum untergetauchten Ehemann sei es nun gelungen, die Vorkommnisse "weitgehend aufzuklären".
Tshiana Nguya und Freddy Kisuwu Ndungigi waren 1995 mit ihren Söhnen Fabrice und Josephat aus dem Kongo nach Deutschland geflohen. Sie bekamen eine Wohnung in Emmerthal bei Hameln zugewiesen. Dort kam 2002 auch die Tochter Priscilla zur Welt. Die Brüder besuchten da schon die Schule, Josephat kickte erfolgreich in der E-Jugend der TSG Emmerthal.
Die Eltern hatten sich nach eigenen Angaben im Kongo in der Oppositionspartei UDPS engagiert und waren deshalb politisch verfolgt worden. Im Asylverfahren konnten sie dies aber nicht glaubhaft machen. Behörden und Gerichte lehnten die Anträge ab und verfügten die Ausweisung. Ein erster Abschiebeversuch scheiterte im Februar 2004. Weil der Vater auf dem Flughafen Amsterdam einen Atemstillstand erlitt und zusammenbrach, schickten die niederländischen Behörden die Familie nach Deutschland zurück. Aus Angst vor einer weiteren Abschiebung hielten sich die Flüchtlinge dort zunächst versteckt.
Nachdem Tshiana Nguya erneut schwanger wurde, aber keinen Arzt fand, der sie ohne Papiere behandeln wollte, beantragte sie bei der Ausländerbehörde in Hameln einen Krankenschein. Dort sei sie festgenommen und umgehend inhaftiert worden, berichteten Freunde. Fabrice und Vater Freddy tauchten ab. Josephat und Priscilla kamen in eine Pflegefamilie - sie wurden am 26. August mit ihrer Mutter in den Kongo abgeschoben. Tshiana Nguya war damals in der 17. Woche schwanger. Aus einem Attest der Justizvollzugsanstalt Hannover geht hervor, dass gegen eine Abschiebung "keine ärztlichen Bedenken" bestanden.
Die den Abschiebeflug begleitenden deutschen Beamten hätten die Frau in der Hauptstadt Kinshasa an Beamte der kongolesischen Einwanderungsbehörde übergeben, die wiederum eng mit dem Geheimdienst des Landes zusammenarbeite, erzählt Kai Weber. Da Tshiana Nguya kein Geld bei sich hatte, um sich frei zu kaufen, habe man sie ins Gefängnis geworfen. Dort sei sie "misshandelt, vergewaltigt und gedemütigt" worden. Sie habe die Nächte auf dem verschmutzten Fußboden verbringen und ihre Notdurft in der Zelle verrichten müssen.
Weil sich ihr Gesundheitszustand verschlimmerte, hätten die kongolesischen Behörden die geschwächte Frau vorübergehend in die Obhut einer evangelischen Gemeinde in Kinshasa gegeben, bei der sich auch schon die abgeschobenen Geschwister aufhielten. Doch bis zur Geburt konnte sich Tshiana Nguya nicht mehr erholen.
Pastor Mbaki-Mvuti in Kinshasa treibt nun die Frage um, was aus Josephat und Priscilla werden soll, die ohne Familie aufwachsen müssten. "Was sagt der deutsche Staat dazu, der für diese Situation verantwortlich ist? Was soll aus den beiden Kindern werden, die sich selbst überlassen sind?", fragt der evangelische Pfarrer.
Die niedersächsische Landesregierung hat eine Untersuchung der Umstände des Todes von Frau Nguya in Aussicht gestellt. Solange dieser offizielle Bericht nicht vorliege, müssten alle Abschiebungen in den Kongo ausgesetzt werden, verlangt der Flüchtlingsrat. Weber fordert die deutschen Behörden auf, Informationen über die Lebenssituation von Josephat und Priscilla einzuholen und ihnen eine Rückkehr zu Verwandten nach Deutschland zu ermöglichen.
Ehemann Freddy Kisuwu Ndungigi und der älteste Sohn Fabrice bleiben derweil weiter untergetaucht. Beim Landtag in Hannover ist seit 15 Monaten eine Petition für ein Bleiberecht der kongolesischen Familie anhängig.
taz Nord Nr. 7962 vom 4.5.2006, Seite 22, 138 TAZ-Bericht Reimar Paul
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